„Ich bin so dankbar, dass ich hier Familie erleben durfte!“: Ehemalige Bewohnerin erzählt mit Erzieherin eine Erfolgsgeschichte aus der „Villa Oberholz“
21.03.24
Veronique und Andrea Kober wirken wie gute Freundinnen, wenn sie sich umarmen, plaudern und lachen oder von gemeinsamen Ausflügen erzählen. Die besondere Beziehung der beiden begann 2016, als die damals 14-jährige Veronique nach katastrophalen Erlebnissen in ihrer Familie zur Jugendwohngruppe „Villa Oberholz“ Großpösna kam, wo Andrea Kober ihre Bezugserzieherin wurde. Veronique ist freundlich, offen und eloquent. Die 22-jährige steht fest im Leben, wohnt längst in einer eigenen Wohnung und absolviert gerade die Ausbildung für ihren Traumberuf. Im Interview erzählen die beiden, wie diese Erfolgsgeschichte trotz schwierigem Start möglich wurde.
Heimverbund Leipziger Land gemeinnützige GmbH: Vero, wie war Ihr erster Eindruck, als Sie in die Villa einzogen?
Veronique (V.): Andrea Kober kam gerade mit einem Auto vorgefahren, das vollgepackt war mit Deko-Material. Sie hat mich gleich eingespannt beim Reintragen, was mir gutgetan hat. Ich war natürlich enorm aufgeregt, aber habe mich schnell wohlgefühlt in der Villa. Auch wenn das Umfeld fremd war, hat es sich für mich angefühlt, als ob ich nach Hause komme. In meiner Familie war ich das „Aschenputtel“ für meine jüngeren Geschwister und es gab Missbrauch. Was es bedeutet, gewollt, geliebt und manchmal auch bemuttert zu werden, habe ich hier zum ersten Mal erlebt. Ich kannte das vorher nicht.
Es war sicher am Anfang nicht einfach. Mit welchen Problemen hatte Vero zu kämpfen?
Andrea Kober (A. K.): Wir haben uns langsam rangetastet. Vero durfte man nicht unvermittelt ansprechen oder beim Wecken anfassen. Mit der Zeit wurde es besser. Auch Aufstehen mussten wir trainieren. Den Gang zur Schule wollte sie anfangs am liebsten vermeiden und sich wegen Bauch-, Kopf- oder Knieschmerzen krankmelden. Wir haben dann zu ihr gesagt: Geh doch erstmal, wenn es ganz schlimm wird, kannst Du immer noch wieder zurückkommen. Das hat sie aber fast nicht gemacht.
V.: Irgendwann ist der Knoten geplatzt und ich habe realisiert, dass ich was kann und schon mitmachen muss, wenn ich Erzieherin werden will. Ich habe dann einen guten Realschulabschluss geschafft.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Villa?
V.: Drachensteigen habe ich hier zum ersten Mal erlebt und dass ich zum Geburtstag einen Kuchen mit Kerze bekomme – extra für mich – das kannte ich vorher auch nicht. Mein 18. zum Beispiel stand unter dem Motto „elegant“: Im Abendkleid habe ich bei einem festlichen Dinner reingefeiert – das war der schönste Geburtstag meines Lebens! In der Villa wurde ich auch mal in den Arm genommen, es gab Unterstützung von Menschen, die an mich glaubten, und kindgerechte Regeln. Ich bin so dankbar, dass ich hier sein und Familie erleben durfte!
Wie ging es dann mit der Volljährigkeit weiter?
A. K.: Wir unterstützen auch bei der Suche nach einer eigenen Wohnung und einem Ausbildungsplatz. Bei Veronique war das erste Ziel die Sozialassistentin. Um die nächsten Schritte – die Erzieherausbildung und einen weiteren Umzug – hat sie sich dann schon komplett selbständig gekümmert. Dabei hat sie sehr tapfer monatelang nur vom Kindergeld gelebt. Es dauerte, bis sie BAföG bekam, da ihre Mutter jede Zuarbeit für den Antrag verweigert hatte. Auch hier hatte sie bei uns viel fürs Leben mitgenommen und wirtschaften gelernt. Man konnte sie mit 20 Euro Bekleidungsgeld losschicken und es war erstaunlich, wie viel sie dafür erstand. Die Nachbetreuung nach dem Auszug aus der „Villa“ dauert bis zu sechs Monaten, aber bei ihr konnten wir das schon früher beenden.
Zumindest offiziell, denn Sie halten bis heute Kontakt.
A. K.: Wir treffen uns regelmäßig und gehen zum Beispiel gemeinsam Kaffeetrinken. Weil Veronique Erdbeeren über alles liebt – wir haben früher für sie extra Erdbeeren-Wetttauchen im Pool veranstaltet – denke ich bei jeder Frucht, die ich mir in den Mund stecke, an sie. (lacht)
V.: Ich bin regelmäßig in der Villa und habe bisher nur eins der Feste verpasst. Die Villa ist immer noch ein Zuhause für mich und Frau Kobers Telefonnummer habe ich im Handy gespeichert unter „Muttiä“ – schön sächsisch, damit haben wir uns früher schon immer einen Spaß gemacht.
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